Der Start ist geglückt

Weitsicht 1/2025

Risiken, Chancen und Erfolgsstrategien für Anleger im Anlagejahr 2025


Es geht nicht darum, die Zukunft vorherzusagen,
sondern darauf vorbereitet zu sein.


Perikles, athenischer Staatsmann und Feldherr
(um 500-429 v. Chr.)


Der Start ins Anlagejahr 2025 ist geglückt. Es verspricht ein entscheidendes Jahr für die Weltwirtschaft und die globalen Finanzmärkte zu werden. Wir gehen davon aus, dass eine Kombination aus einer weiteren makroökonomischen Stabilisierung, einer protektionistischen Handelspolitik unter der neuerlichen Präsidentschaft von Donald Trump und geopolitischen Spannungen die wirtschaftliche und politische Landschaft prägen wird. Nicht zuletzt europäische Unternehmen, darunter die Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis, sehen sich dadurch potenziellen Risiken ausgesetzt. Dies dürfte Schweizer Anlegern angesichts der jüngsten Kursgewinne einiges Kopfzerbrechen bereiten – aber auch Chancen bieten.

In dieser Weitsicht analysieren wir den Wirtschaftsausblick anhand von drei Szenarien, beleuchten die Auswirkungen der US-Handels- und Zollpolitik auf die Unternehmen und präsentieren Strategien, wie sich Investoren in diesem komplexen Umfeld positionieren können. Folgende Themen werden das Anlagejahr 2025 nach unserer Ansicht prägen:


  1. Robuste Konjunktur
    Die U.S.-Wirtschaft, die wichtigste Volkswirtschaft der Welt, dürfte im Jahre 2024 mit rund 2.8% gewachsen sein (gemäss GDPNow-Modell der Federal Reserve Bank of Atlanta). Wir gehen gegenwärtig davon aus, dass sich dieses Wachstum – wenn auch in abgeschwächter Form – im laufenden Jahr als Folge der tieferen Zinsen und der staatlichen Investitionsprogramme fortsetzen wird. Auch wenn die Investitionen in künstliche Intelligenz und damit die «Magnificient Seven» (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia, Tesla) wesentlich zum BIP-Wachstum beigetragen haben, gehen wir davon aus, dass dieses im laufenden Jahr breiter abgestützt sein wird. Dazu kommen die angekündigten Konjunkturprogramme in China, deren Ausgestaltung allerdings noch unklar ist. Dagegen scheint Europa noch etwas Zeit zu benötigen, um auf den Wachstumspfad zurückzufinden. Der Abbau der hohen Lagerbestände als Folge der Pandemie ist noch nicht vollständig abgeschlossen, was teilweise weiter auf die Gewinne von Industrie- und insbesondere Automobilfirmen drückt. Dennoch werden tiefere Zinsen, fragmentierte Lieferketten und Near- und Onshoring, die Produktion in «befreundeten» (statt «feindlichen») Staaten sowie höhere Rüstungsausgaben mittelfristig zu neuen Investitionen und einer erhöhten Nachfrage führen. Auch die gedämpfte Nachfrage aus China drückt auf die Ergebnisse der stark exportorientierten europäischen Unternehmen. Trotzdem scheint eine schwere globale Rezession im Moment eher unwahrscheinlich. Seitens der konjunkturellen Entwicklung dürften die Aktien in diesem Jahr tendenziell eher Unterstützung erhalten – wenngleich wohl eine regionale und sektorielle Differenzierung zu beobachten sein wird.

  2. Geldpolitik und Inflation
    Die Zentralbanken in den USA und Europa werden voraussichtlich die Leitzinsen auch im Jahre 2025 weiter senken, da sich die Inflation auf dem Zielniveau von 2% - 3% p.a. einpendeln dürfte. Die zunehmende Staatsverschuldung als Folge der expansiven Fiskalpolitik hat aber (zumindest in den USA) bereits wieder zu einem Anstieg der Renditen von Staatsanleihen geführt. Auch die Zölle dürften die Inflation eher anheizen, weswegen die Federal Reserve (U.S.-Notenbank) wohl weniger Zinssenkungen als ursprünglich erwartet vornehmen wird. Langfristig wird sich der Schweizer Franken dennoch gegenüber den wichtigsten Währungen, insbesondere dem USD und dem EUR, aufwerten. Das dürfte in der Schweiz den Weg für weitere Zinssenkungen ebnen. Ein SARON von 0% erscheint gegenwärtig nicht ausgeschlossen. Insgesamt besteht keine unmittelbare Gefahr für Zinserhöhungen, womit die Geldpolitik die Aktienkurse im laufenden Jahr eher stützen sollte. Die steigende Differenz zwischen der Dividendenrendite von Aktien und der Rendite von Staatsanleihen dürfte gerade Aktien mit einer hohen Dividendenrendite zugutekommen.

  3. Geopolitische Spannungen und Zölle
    Geopolitische Konflikte und die protektionistische Agenda der Trump-Administration erhöhen die Unsicherheit im globalen Handel. Neue Zölle und Sanktionen könnten die globalen Lieferketten stören und damit das Wirtschafts­wachstum in den betroffenen Regionen bremsen. Unter den neuen Zöllen dürften insbesondere das bereits geschwächte Europa und China leiden. Für europäische Pharmaunternehmen wie Roche und Novartis, die stark vom US-Markt abhängig sind, könnten solche Zölle gravierende Folgen haben. Neben der potenziellen direkten Kostensteigerung könnten auch indirekte Effekte wie steigende Inputkosten und gestörte Lieferketten die Profitabilität beeinträchtigen. Donald Trump hat in der Vergangenheit gezeigt, dass seine Drohungen mit Zöllen oft Realität werden. Investoren sollten daher diese Risiken ernst nehmen. Allerdings ist gerade mit Bezug auf die grosskapitalisierten europäischen Pharmaunternehmen festzuhalten, dass deren Bewertungen als Folge der Ankündigung der Zölle bereits deutlich korrigiert haben.

    Wenngleich eine Börsenweisheit besagt, dass «politische Börsen kurze Beine hätten», gilt trotzdem, dass geopolitische Spannungen zumindest kurzfristig für erhebliche Volatilität an den Märkten sorgen können.

  4. Technologischer Fortschritt
    Innovationen in Bereichen wie erneuerbare Energien, künstliche Intelligenz und Biotechnologie werden weiterhin als Wachstumsmotor dienen. Es ist davon auszugehen, dass die Investitionstätigkeit in diesen Sektoren anhalten wird. Unternehmen, die in diesen Sektoren tätig sind, werden daher voraussichtlich besser abschneiden als Unternehmen aus anderen Wirtschaftszweigen. Unternehmen, welche es schaffen, künstliche Intelligenz zur Steigerung der Effizienz effektiv einzusetzen (z.B. im Bereich der Forschung und Entwicklung bei Pharma- oder Biotechnologieunternehmen), werden sich im Vergleich mit ihren Mitbewerbern besser entwickeln.

    Der Erfolg von Deepseek hat gezeigt, dass der vermeintliche Vorsprung des Westens geringer als angenommen ist, was zu Kursausschlägen und -korrekturen bei einzelnen Technologieaktien geführt hat. Die Aktienselektion wird dadurch wichtiger – und gleichzeitig anspruchsvoller.

Drei Szenarien für 2025

1. Basisszenario: Moderates Wachstum mit stabiler Inflation
(Wahrscheinlichkeit: 60 %)

  • Wirtschaftsausblick
    Das globale BIP-Wachstum stabilisiert sich bei 2.5% - 3%, getragen von den USA und wichtigen Schwellenländern, insbesondere China und Indien (wenngleich das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern nicht mehr an frühere Wachstumsraten anknüpfen kann). Die Lieferketten erholen sich, die Energiepreise bleiben stabil und die Inflation nähert sich den Zielwerten der jeweiligen Notenbanken an oder unterschiesst, wie dies z.B. in der Schweiz bereits jetzt der Fall ist. Die handelspolitischen Unsicherheiten bleiben bestehen, eskalieren jedoch nicht.
  • Auswirkungen auf die Aktienmärkte
    In diesem Umfeld weisen die Unternehmen ein Gewinnwachstum im oberen einstelligen Prozentbereich aus. Auch Aktien verzeichnen entsprechend moderate Gewinne. Wachstumssek­toren wie Technologie (künstliche Intelligenz, Cloud Computing, Raumfahrt), erneuerbare Energien und Pharmaunternehmen führen die Entwicklung an, während defensive Sektoren wie Konsumgüter und Gesundheit Stabilität bieten. Nach der Korrektur im 4. Quartal 2024 könnten insbesondere Pharmaunterneh­men in einem solchen Szenario positiv überraschen, haben doch ihre Kurse als Folge möglicher U.S.-Zölle bereits deutlich korrigiert. Im Konsumgüterbereich dürfte allerdings der Turnaround von Nestlé und L’Oréal noch etwas Zeit benötigen. Insgesamt dürften sich die Aktienmärkte je nach regionalem Wirtschaftswachstum sehr heterogen entwickeln.
  • Strategie für Anleger
    Hoher Anteil an Schweizer Aktien (u.a. Aktien mit einer hohen Dividendenrendite) in Kombination mit US-Aktien in den Sektoren Technologie, Gesundheitswesen und Energiewende. Untergewichtung von Aktien europäischer Unternehmen (mit Ausnahme grosskapitalisierter Pharmaunternehmen). Auch Unternehmen, die einen Grossteil der Erlöse in China erwirtschaften, dürften positiv überraschen. Anleger sollten sich bewusst sein, dass die Bewertung des U.S.-Marktes inzwischen sehr hoch ist. Die betreffenden Kennzahlen liegen im obersten Dezil der historischen Bewertungen seit 1985 – womit die Messlatte für zusätzliche Kurssteigerungen sicherlich höher liegt als in anderen Regionen der Welt. 

2. Negativszenario: Globale Rezession
(Wahrscheinlichkeit: 60 %)

  • Wirtschaftsausblick
    Eine anhaltend hohe Inflation, eskalierende Zölle und geopolitische Spannungen stürzen die Weltwirtschaft in eine Rezession. Das globale BIP schrumpft um 0.5% - 1%, wobei es in entwickelten Volkswirtschaften, insbesondere in den grossen europäischen Volkswirtschaften, zu stärkeren Einbussen kommt, während sich das Wachstum in China, Indien und in den Schwellenländern verlangsamt. Als exportorientierte Volkswirtschaft würde auch die Schweiz in einem solchen Szenario in eine Rezession fallen. 
  • Auswirkungen auf die Aktienmärkte
    Eine globale Rezession würde zu breiten Verlusten an den Aktienmärkten führen, vor allem in zyklischen Sektoren wie Industrie, Immobilien und Konsumgüter (insbesondere Luxusgüter). Defensive Sektoren (Basiskonsum und Gesundheit) sowie Vermögenswerte wie Gold und Anleihen bieten einen gewissen Schutz vor Verlusten. Dividenden (nicht zuletzt von Schweizer Aktien mit einer hohen Dividendenrendite) tragen in einem solchen Umfeld wesentlich zur Performance bei. Auch in diesem Szenario ist letztlich nicht von einer einheitlichen Kursentwicklung auszugehen. Vielmehr würden die einzelnen Märkte in Abhängigkeit vom Schweregrad der Rezession korrigieren. Gerade die U.S.-Unternehmen würden gegebenenfalls von der protektionistischen Handelspolitik von Donald Trump profitieren, was sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund des grossen U.S.-Binnenmarktes positiv auf U.S.-Aktien auswirken sollte. Dem steht aber eine bereits heute im Vergleich zu Europa deutlich höhere Bewertung der U.S.-Aktien entgegen. 
  • Strategie für Anleger
    Hoher Anteil an dividendenstarken und schwankungsarmen Aktien, mit einem klaren Übergewicht in Pharma- und Versicherungstiteln, welche überdurchschnitt­liche Dividendenrenditen aufweisen. Zyklische Titel aus dem Industriebereich sollten reduziert werden. Aufgrund der Inflation sollte eine allzu hohe Anleihensquote vermieden werden, wenngleich sinkende Zinsen zur Ankurbelung der Wirtschaft und zu Gewinnen bei den Obligationen führen würden. Gold und Anlagen in Schweizer Franken wären vermeintlich «sichere Häfen». 

3. Positivszenario: Beschleunigte Erholung und Investitionsboom
(Wahrscheinlichkeit: 15 %)

  • Wirtschaftsausblick
    Eine effiziente politische Koordination, welche dazu führt, dass die U.S.-Zölle nicht in einen eigentlichen «Handelskrieg» ausarten, schnelle technologische Fortschritte (künstliche Intelligenz) und eine Deeskalation geopolitischer Spannungen (insbesondere in der Ukraine und im Nahen Osten) führen in Kombination mit effektiven Stimuli für die chinesische Wirtschaft zu einem starken globalen Aufschwung. Das globale BIP-Wachstum übersteigt 4%, getrieben von technologischen Innovationen, dem dadurch ausgelösten Investitionsschub und einem robusten Konsum.
  • Auswirkungen auf die Aktienmärkte
    In einem solchen Szenario würde ein globaler Bullenmarkt entstehen, angeführt von Technologieunternehmen sowie Unternehmen in den Sektoren erneuerbare Energie und Biotechnologie. Die Folgen der U.S.-Zölle für global tätige Unternehmen würden sich in Grenzen halten. Davon würde insbesondere die europäische Pharmaindustrie profitieren. Überdies könnte die Überwindung der Abhängigkeit von Russland im Bereich der Energieversorgung, gekoppelt mit der wirtschaftlichen Erholung der chinesischen Wirtschaft, in Europa zu zusätzlichem Wachstum und einem starken Anstieg der Exporte führen.
  • Strategie für Anleger
    Fokussierung auf Wachstumsaktien, insbesondere auf Technologie- und Industrieaktien, aber auch auf Aktien im Bereich des zyklischen Konsums. Dabei sollte auf eine angemessene Diversifikation von amerikanischen und europäischen Aktien geachtet werden, denn auch hier gilt: In jüngerer Zeit ist ein grosser Teil der Innovation aus Übersee gekommen. Ein besonderer Fokus sollte auf (erneuerbare) Energien gelegt werden. Obligationen sollten in diesem Szenario möglichst gemieden werden, da mit einem Zinsanstieg (und damit mit fallenden Obligationenkursen) zu rechnen wäre. 

Auswirkungen für Schweizer Investoren

Für Schweizer Anleger ist die Dominanz von Nestlé, Roche und Novartis im SMI ein zweischneidiges Schwert. Während die starke Marktstellung dieser Unternehmen in stabilen Szenarien Schutz bietet, könnten negative Entwicklungen – wie Zölle oder Lieferkettenprobleme – erhebliche Auswirkungen auf die Gesamtperformance des Schweizer Aktienmarktes haben. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Verluste eines dieser Schwergewichte zu einer deutlichen Unterperformance des Schweizer Aktienmarktes führen können (2023: Roche; 2024: Nestlé). Auch gibt es in der Schweiz kaum Technologieunternehmen, welche vom Boom im Bereich der künstlichen Intelligenz profitieren.

Im Basisszenario profitieren Schweizer Portfolios von stabilen Renditen in defensiven Sektoren wie Gesundheitswesen, Basiskonsum und Finanzen (v.a. Versicherungen). Ausgewählte zyklische Aktien tragen zusätzlich zur positiven Performance bei. Im Negativszenario könnten jedoch substanzielle Verluste auftreten, insbesondere durch eine hohe Abhängigkeit der Pharmaschwergewichte Roche und Novartis vom amerikanischen Markt. Im Positivszenario würden Schweizer Anleger dagegen überproportional profitieren, da Roche und Novartis zu den führenden Innovatoren im Pharmabereich zählen. Auch in diesem Szenario würden ausgewählte zyklische Unternehmen zusätzlich zu einer positiven Gesamtperformance beitragen.


Strategien für Schweizer Anleger:

  1. Diversifikation
    Zentral sind eine geografische und sektorale Streuung, um das Klumpenrisiko in den Sektoren Gesundheit und Basiskonsum zu reduzieren. Auch kann dadurch der unterschiedlichen Entwicklung in verschiedenen Märkten (USA vs. Europa, Japan, China, Indien) Rechnung getragen werden.

  2. Aktive Überwachung
    Wichtig ist eine aktive Verfolgung der U.S.-Handelspolitik, um mittels Umschichtungen im Portfolio frühzeitig auf U.S.-Zölle reagieren zu können. Die expansive Fiskalpolitik wird mittelfristig den Druck auf den USD erhöhen, was etwaige Kursgewinne auf amerikanischen Aktien schmälern wird. Es gilt laufend abzuwägen, ob die Gesamt-Performance des U.S.-Aktienmarktes die Währungsverluste auszugleichen vermag.

  3. Alternative Investments
    Schliesslich erscheint eine Prüfung von Anlagen in Immobilien und Gold sowie (beschränkt) Privatmarktanlagen sinnvoll zu sein, um die Abhängigkeit von Aktien zu verringern. Weiter sinkende Zinsen und ein knappes Angebot, das auf eine hohe Nachfrage trifft, dürften die Immobilienaktien unterstützen. Ein Anteil von rund 5% an Gold erscheint langfristig ebenfalls sinnvoll zu sein. 


Mit einer ausgewogenen Strategie, einer breiten Diversifikation und einer sorgfältigen Auswahl der Unternehmen (robustes Geschäftsmodell, finanzielle Verfassung, gute Unternehmensführung mit Fokus auf die Schaffung von Mehrwert für die Aktionäre) können Schweizer Anleger trotz einiger Unsicherheiten sicher durch das Anlagejahr 2025 navigieren und langfristige Wachstumschancen nutzen.

 Februar 2025/TH

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